Freund*innen von mir betreiben einen kleinen Laden für modulare Synthesizer (unbezahlte [aber] Werbung), hier in Köln. Und es kommt immer wieder vor, dass Personen in den Laden kommen, die interessiert sind, in das Thema einzusteigen und die Frage stellen, wie sie das am besten machen können. Die Frage ist wirklich schwer zu beantworten, weil modulare Synthesizer einfach so vielseitig sind und es total davon abhängt, was Du damit machen möchtest. Außerdem sind sie nicht ganz Preisgünstig, da ist es für die meisten nicht möglich mal eben voll zuzugreifen.
Wir haben jedenfalls darüber gesprochen, was man diesen Menschen wohl empfehlen könnte und das Thema hat mich danach nicht so recht losgelassen. Nach ein paar Tagen habe ich den Discord des Ladens mit meinen Gedanken vollgespamt. Um das ganze ein bisschen zu sortieren und vielleicht auch noch ein paar mehr Leuten bei diesen Überlegungen zu helfen, schreibe ich es nochmal hier auf.
Grundlegendes vorab
Üblicherweise haben Menschen, die sich für modulare Synthesizer interessieren, schon vorher Erfahrungen mit Elektronischen Instrumenten (im Computer oder zum anfassen) gesammelt. Ich halte diesen Text deshalb zwar einfach, erkläre aber nicht jedes Wort. Solltest Du Fragen haben, kannst Du mich gerne einfach kontaktieren.
Was ich hier vorschlage ist geeignet für Musik, die auf das Prinzip Wiederholung setzt. Das wäre zum Beispiel Techno-artige Musik im weitesten Sinne, funktioniert aber bestimmt auch für weitere Genres.
Looper
Ein Looper, also Geräte oder Software, die ein Stück Audio aufzwichnen und in Dauerschleife wiedergeben können (plus mehr natürlich), sorgt dafür, dass Du ansonsten nicht so wahnsinnig viel brauchst.
Die Idee ist, dass Du mit einem Looper nur eine einzige, einigermaßen vielseitige, Voice (Synthesizer-Stimme) benötigst und diese dann layern kannst. Erstmal eine Bass Line in einen Loop werfen, dann eine Lead Voice usw.… Du verstehst.
Es gibt einen ganzen Haufen an Geräten, die Dir das ermöglichen.
- Vielleicht könnte das der Octatrack sein, der in der Ecke steht, weil er immer zu kompliziert war um was anderes damit zu machen
- Oder es könnte ein Boss RC-505 sein. Geile Maschine! (Könnte mir vorstellen, dass man den MK1 günstiger gebraucht bekommt)
- Eine Looper App wie Loopy Pro soll aber auch super gut funktionieren, habe ich mir sagen lassen und ist um einiges günstiger
Natürlich gibt es noch viel mehr, guck Dich ruhig mal um.
Features
Das Setup sollte ein paar Dinge auf jeden Fall können, damit Du richtig viel Spaß haben kannst.
- Es sollte sein Tempo mit dem Looper synchronisieren können. Es braucht deshalb irgendeine Art von MIDI zu CV (Control Voltage == Steuerspannung; Damit wird in Modularen Synths alles mögliche gesteuert). Es gibt da auch noch andere Tricks, aber ich mache das jetzt mal ganz klassisch. Frag mich, wenn Du mehr wissen willst.
- Es sollte irgendeine Form von Sequencing geben. Und zwar sowohl Trigger/Gate als auch Pitch/CV.
- Dann die Voice selber. Hier empfehle ich für den Einstieg eine komplette Voice, also Klangerzeuger, Envelope, VCA und Filter im Paket. Zumindest habe ich für alle drei Setups jeweils eine ausgesucht.
- Effekte. Was soll ich dazu schreiben. Bisschen Würze ist halt immer schön.
- Output. Dein Looper kann erst mal nicht so viel mit dem ultra lauten Output Deines Euroracks anfangen. Deshalb muss das Signal auf Line Level runter gebracht werden. Falls Du noch ein solides analoges Mischpult, z.B. von Mackie rumligen hast, kannst Du es auch damit versuchen. Die kommen teilweise auch mit so lauten Signalen klar. Dann kannst Du Dir das Output-Modul erstmal sparen.
Hier kommt irgendwie keine Modulation vor, merkste, ne? Das schöne ist, dass Du in einen Looper total gut rein spielen kannst, während Du selber gerade am Knöpfchen drehst. Das wiederholt der dann ja immer schön für Dich.
Drums habe ich auch außen vor gelassen. Die können zum Beispiel aus Deinem Looper kommen. Alle drei Vorschläge oben können das mehr oder weniger gut. Möglicherweise hast Du ja sogar schon irgendeine Drum-Machine. Dann nutz die einfach. Mache ich übrigens auch so.
Falls Du aber auf jeden Fall Drums im Rack haben willst, empfehle ich Dir 1-2 Prok Drums, die sind super vielseitig und einfach zu bedienen. Oder aber den Tiptop Audio ONE Sample Player. Auch hier ist der Looper Dein bester Freund.
Außerdem benötigst Du natürlich irgendeine Art von Gehäuse und eine Stromversorgung. Auf beides gehe ich hier nicht näher ein. Nur so viel: Ein Gehäuse kannst Du Dir im Zweifel für Den Anfang aus etwas Pappkarton und Klebeband bauen. Und so lange Du noch nicht super viele Module hast, kommst Du mit einem simplen Power Supply Modul wie z.B. dem μZeus von Tiptop Audio ganz schön weit. Weil viele Leute die für den Anfang nutzen, gibt es die oft günstig irgendwo gebraucht.
Zu günstig fällt mir noch ein, dass Du mit DIY Kits oft noch ganz gut Geld sparen kannst. Allerdings musst Du dann natürlich bereit sein, einen Lötkolben zu schwingen.
Klein, simpel und sehr flexibel
Fangen wir super simpel und ganz klein an. Hier bin ich mal von einem Intellijel Case mit 1U-Reihe ausgegangen, das MIDI und Audio-Anschlüsse hat. In erster Linie, der Vollständigkeit halber.
- Die Synchronisation mit dem Looper findet über ein Intellijel MIDI 1U statt. Das lässt sich auch fürs Sequencing nutzen, wenn Du Dir die Module dafür erstmal sparen möchtest. Dann brauchst Du nur ein Gerät, dass das für Dich übernehmen kann. Kann auch Dein Laptop sein.
- Ansonsten schlage ich für das Sequencing aber mal den Ladik S-180 vor. Ein super simpler 8-Step-Sequencer, der aber durchaus noch ein bisschen mehr kann, als man zunächst denkt.
Den erweitere ich dann noch um den Expander Ladik S-182. Damit bekommt er gleich noch die Möglichkeit Pitch/CV zu sequencen und nicht nur Trigger.
Ladik Module sind ähnlich wie die von Doepfer recht günstig und eigentlich ziemlich gut. Dafür nicht besonders aufregend im Design, aber mir gefällt das ehrlich gesagt.
Falls Du auch noch Drums sequencen willst, kannst Du noch über das Ladik S-181 nachdenken. Tatsächlich kannst Du von diesen Erweiterungen mehrere hintereinander hängen und richtig tolle Sachen machen.
Ich würde Dir noch einen einfachen Pitch Quantizer, wie z.B. den 2hp Tune empfehlen. Ist nicht unbedingt nötig, macht aber vieles einfacher, wenn Du Wert darauf legst, dass Deine Musik sich an Tonleitern hält. - Die eigentliche Voice ist die Doepfer A-111-6 Miniature Synth Voice. Eine Super vielseitige und ganz fantastische komplette Stimme. Sie ist analog und kannt dicke Bässe und tolle Lead Sounds. Ich habe noch den LFO Ladik L-130 spendiert, weil die Bässe mit ein bisschen PWM (Pulsweitenmodulation) noch besser werden. Kannst Du aber auch erstmal drauf verzichten.
- Für Effekte nutze ich hier das Expert Sleepers Disting mk4. Das kann ungefähr eine Millionen Sachen. Unter Anderem eben Effekte. Ich verspreche Dir aber, dass Du Dich in der Zukunft, bei Deinen modularen Forschungen, noch oft über dieses Modul freuen wirst.
- Und Raus geht das Signal dann über den Intellijel Stereo Mixer 1U.
Bisschen Kontrollverlust
Dieses Setup ist am meisten nach meinem Geschmack und es beinhaltet tatsächlich auch eine ganze Menge Module, die ich in meinem eigenen Rack derzeit benutze (Gut, das gilt auch für den letzten Vorschlag, aber hier sind es mehr). Mit diesem Rack bist Du weniger damit beschäftigt, Melodien, Rhythmen usw. zu “programmieren”. Du generierst sie viel mehr. Die Kreativität fließt hier eher in die Grenzen, die Du dem Zufall setzen möchtest und welche Patterns, Töne und so, Du auswählst oder verwirfst. Es ist sehr “perfomable”, finde ich. Du hast aber auch nie die 100%ige Kontrolle.
Dieses Setup beinhaltet außerdem ein paar Module, die Du als DIY Kit bekommen kannst. Außerdem kannst Du das in so gut wie jedes herkömmlich Case bauen. Keine 1U Reihe oder spezielle Intellijel-Anschlüsse, oder so.
- Die Synchronisation mit dem Looper erledigt ein Befaco MIDI Thing. Das Teil kann wirklich viel und ist ein bisschen mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Sieh es mal als Investition in die Zukunft. Du könntest Dir auch hier die Sequencing Abteilung sparen, wenn Du irgendeine Art von MIDI-Sequencer verwendest. Gerade bei diesem Setup wäre das aber ein bisschen schade, finde ich. Es ist ja gerade schön, hier mit dem Kontrollverlust zu spielen.
- Das Sequencing besteht hier aus zwei bis drei Modulen.
Trigger kommen aus dem Shakmat Modular Knight’s Gallop, einem super coolen Rhythmusgenerator. Ich liebe das Ding. Es ist sehr vielseitig und kann unter anderem auf seinen zwei Kanälen Rhythmen ausgeben, die sich auf einander beziehen, was ich sehr mag.
Die Pitch-Informationen kommen aus meinem absoluten Lieblings-Modul, der Music Thing Modular Turing Machine. Um es viel zu kurz zu umreißen: Ein loopable Random Pitch/CV und Trigger Generator.
Du könntest mit der Turing Machine prinzipiell sogar auch den Knight’s Gallop ersetzen, ich finde es so aber besser. Guck Dir aber auf jeden fall auch die vielen vielen Expander für die Turing Machine an. Das Modul ist auch wahnsinnig gut als Modulationsquelle geeignet. Probier das auf jeden Fall aus. So werden Deine Loops abwechslungsreicher!
Zuletzt haben wir wieder einen Pitch Quantizer, den Pico Quant von Erica Synths. Der ist auch hier nicht unbedingt nötig (kommt ein bisschen drauf an, was für Musik Du machen willst). - Zur Klangerzeugung schlage ich Plaits von Mutable Instruments vor. Das ist wohl die vielseitigste komplette Voice, die ich kenne. Das kann wirklich fast alles. Abgesehen davon ist es Open Source. Das bedeutet in diesem Fall, dass Du
a) aus einer riesigen Auswahl von Clones auswählen kannst, je nachdem was Dein Geldbeutel und Dein Geschmack Dir so sagt und
b) auf teilweise ganz großartige alternative Firmwares umsteigen kannst.
Vielseitig, ich sach Dir…
Ebenfalls nicht unbedingt nötig ist der Doepfer A-120. Ich finde aber, dass Plaits durch einen guten Filter noch mal richtig was gewinnt. Und das ist meiner Meinung nach einer der besten Filter, die man in der Preisklasse (günstig) bekommen kann. - Effekte kommen aus dem Pico DSP von Erica Synths. Acht verschiedene, teilweise richtig gut klingende Effekte. Der große Spaß bei dem Modul ist aber eigentlich, dass Du, wenn Du irgendwann mal mehr willst, es mit einem XODES BCI modifizieren (lassen) kannst. So kannst Du die Effect-Cards des Tiptop Audio Z-DSP benutzen. Einfach super gut!
- Und am Schluss kommt der Sound mit Hilfe des DivKid Stereo Strip aus Deinem Modularsystem raus und rein in den Looper. Das Modul habe ich selbst leider noch nie benutzt, finde es aber ziemlich spannend. Es kann Eurorack und Line Level In & Out, Stereo EQ, VCA, Panner, Distortion und hat außerdem noch einen Mute-Schalter. BÄM!
Nur drei Module
Der dritte Vorschlag besteht aus nur drei “Modulen”, ist aber trotzdem preislich nicht ganz unten angesiedelt, auch wenn ich behaupten würde, dass Du viel für Dein Geld bekommst. Außerdem noch eine Anmerkung: Ich besitze selbst kein Modul aus dem Setup, finde sie aber ziemlich cool.
Ob das jetzt wirklich meine Empfehlung ist, wenn Du komplett neu einsteigst, weiß ich gar nicht so recht. Modular ist halt schön, weil es modular ist und hier wird schon sehr viel zusammengepackt. Falls Du aber bereits einen Moog Mother Synth als Einzelgerät haben solltest, könnte das ein guter nächster Schritt sein.
- Mit den semi-modularen Mother Synthesizern von Moog hast Du eigentlich schon alles, was Du brauchst. MIDI zum Sync mit Deinem Looper, Sequencer und Voice. Ich habe mal die(?) Subharmonicon genommen, weil ich sie am interessantesten für mich persönlich finde. DEFAM und Mother-32 sind aber auch ganz toll.
- Für die Effekte schlage ich Mimeophon von Make Noise vor. Ich schleiche schon lange um dieses Modul herum und finde es ganz fantastisch. Es ist aber auch ganz schön teuer und eigentlich habe ich ja auch schon tolle… na ja, Du weißt schon. Es fällt mir schwer, das Ding zu beschreiben. Es einfach als ausgebufftes Delay mit sowas wie Reverb zu bezeichnen, wäre zu kurz gegriffen. Guck Dir vielleicht einfach mal ein paar Videos bei Youtube an.
- Um die Sounds in Deinen Looper zu bekommen habe ich mich für Intellijel Outs entschieden. Das ist einfach ein ziemlich solides Output-Modul. Aber ganz ehrlich, komplett ersetzbar durch ein anderes. Und es würde mich nicht wundern, wenn Du es mit klugem Patching auch einfach weglassen könntest. Dafür kenne ich mich aber zu wenig mit den Moog Mothers aus.
Zum Schluss
Was für ein Ritt.
Vielleicht noch abschließend ein paar Worte zu den Vorschlägen: Wie ich schon schrieb, das schöne an modularen Systemen ist, dass sie modular sind. Dir gefällt der erste Vorschlag, aber Du willst für deine Effekte dieses geile Mimeophon? Mach halt. Das ist sicher super cool.
Das gilt an ganz vielen stellen. Du kannst Dinge kombinieren, wie es Dir Spaß macht. Ich habe die drei Setups so zusammengestellt, wie es mir gerade in dem Moment schlau vorkam, aber am Ende bist Du vollkommen frei. Teilweise habe ich auch nur verschiedene Module für den gleichen Zweck ausgepackt, um zu zeigen, dass es unterschiedliche Geschmacksrichtungen gibt.
Zeig mir Doch vielleicht mal Dein neues Setup. Du erreichst mich zum Beispiel per Mastodon, Instagram oder im Discord von Mülheim Modular